Erklärung der Bundeselternkonferenz im Bund der Freien Waldorfschulen zur Corona-Krise

Uns ist bewusst, dass die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie großen dynamischen Schwankungen unterliegen, die eine längerfristige Planbarkeit des Unterrichts für die Schulen in Deutschland erschweren. Dabei müssen oder sollen die Kollegien und Krisenstäbe an den Schulen jeden Tag neue Wunder vollbringen und gehen mittlerweile oft über die Grenze der Belastbarkeit hinaus. Die Kombination von Präsenz- und Fernunterricht erlegt den Lehrkräften zusätzliche Arbeitsstunden auf, die in vielen Fällen noch durch vermehrte Konferenz- und Krisenstabarbeit ergänzt werden. Gleichzeitig müssen die Waldorfschulen zu einem großen Teil auf den so wichtigen Bereich im Musisch-Künstlerischen entweder ganz verzichten oder die Unterrichtsinhalte so verbiegen, dass sie den einzuhaltenden Vorgaben entsprechen können.

An dieser Stelle möchte sich die Bundeselternkonferenz ausdrücklich bei allen Lehrkräften und Mitarbeitern an den Waldorfschulen bedanken, die täglich versuchen, den Schülern ein Stück Normalität und Stabilität im Schulleben zu geben und einen ganzheitlich angelegten Unterricht nicht aus dem Bewusstsein verlieren, wenngleich Abstandsregelungen derzeit eine entsprechende Umsetzung nahezu unmöglich machen.

Was für die Schüler anfangs noch neu und vielleicht auch ein bisschen spannend war, gerät nun, zum Ende des Schuljahres, in eine Stimmung, die es, gerade in Bezug auf die jüngeren Schüler, den Lehrkräften immer schwerer macht, den Kontakt zu halten und nicht entgleiten zu lassen. Präsenzunterricht, der nur ein- oder zweimal in der Woche stattfindet, kann nicht die tägliche Begegnung ersetzen und für einen eigentlich im Waldorflehrplan vorgesehenen Tag/Nacht- Rhythmus keine Grundlage sein.

Die Eltern, gerade der jüngeren Kinder, sind ebenfalls an ihre Grenzen gekommen, Homeschooling, 24-Stunden-Betreuung und die eigene Berufstätigkeit unter einem Hut zu halten. Die Erschöpfung äußert sich mittlerweile nicht selten in Unmutsbezeugungen gegenüber der Handhabung in den Schulen und in den Regierungen oder in Resignation.

Ein bundeseinheitliches Maßnahmenbild ist nicht zu erkennen. Wo in dem einen Bundesland Abstandsregelungen aufgehoben werden, werden sie anderswo zur Farce, wenn gleichzeitig der Besuch von Schwimmbädern oder anderen Gemeinschaftseinrichtungen, sowie Spiel und Sport wieder gestattet werden und die Schüler in vollen Bussen und Bahnen zur Schule kommen müssen. Die in den Regionen unterschiedlich erlassenen Maßnahmen verstärken darüber hinaus das Ungleichgewicht der Bildungsmöglichkeiten unserer Kinder.

Davon abgesehen, weiß niemand, welche Folgen die letzten Monate für die seelische Entwicklung der Kinder und Jugendlichen haben werden. Selbst ein Präsenzunterricht in der Schule kann in dieser Zeit kaum ein »normaler Unterricht nach Plan« sein, wenn die Kinder da abgeholt werden sollen, wo sie sind: Mit ihren Ängsten, ihrem Redebedürfnis oder Bewegungsdrang und vor allem in den fehlenden Sozialkontakten mit den Mitschülern.

Derzeit kann es noch keine Rückkehr zur Normalität geben und wir werden uns wohl alle auf weiter bestehende Einschränkungen einstellen müssen. Was die Schulgemeinschaften jetzt brauchen ist eine zuverlässige und nachvollziehbare Planbarkeit für die Zeit nach den Sommerferien und Kreativität in der Umsetzung neuer Prozesse. Vor allem müssen Pädagogen und Eltern auf allen Ebenen in die Entscheidungsprozesse mit eingebunden werden. Wie sehen hier auch eine Chance, aus der Krise heraus gemeinsam mutige Wege zu finden und damit die Schulgemeinschaften zu stärken.

Kontakt: anke.pasternak@bundeselternkonferenz.org